Die besten Süßweine im Überblick
Autor: Christoph Raffelt
Wie entsteht süßer Wein?
Süße Weine zu erzeugen, bietet sich natürlich an, denn nach der Banane ist die Weintraube die zuckerhaltigste Frucht. Wenn man aus ihr eine Weinessenz kreiert, kann sie bis zu 600 Gramm Restzucker pro Liter enthalten. Da bleibt schon fast der Löffel stehen.
Tatsächlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, Süßweine bzw. Dessertweine – so werden sie auch oft genannt – zu erzeugen. Grundsätzlich aber ist es beim Qualitätswein so, dass hochreife, also mit viel Zucker angereicherte Trauben vergoren werden und die Gärung zu einem bestimmten Zeitpunkt gestoppt wird. Den Zeitpunkt bestimmt der Winzer. Er kann die Gärung entweder durch die Zugabe von reinem Alkohol stoppen, dann erhält man einen aufgespriteten Wein, oder er stoppt die Gärung durch Kühlung, weil dann die Hefen nicht weiterarbeiten. Dann schwefelt der Winzer den Wein normalerweise, weil so die Hefen absterben, und filtert die Hefen schließlich aus dem Wein. Solche Weine bezeichnet man dann als restsüß, wobei der verbliebene Zuckergehalt im Wein gemessen wird.
Besondere restsüße Varianten
Eine Ausnahme bildet süßer Schaumwein, der nach der Méthode traditionelle in Flaschengärung erzeugt wird. Solche Schaumweine werden trocken ausgebaut und erhalten erst ganz am Schluss die sogenannte Dosage.
Einfache Tafelweine dürfen in Deutschland nach der Gärung mit Traubenmost aufgezuckert werden.
Der Klassiker des Südens: Vin naturellement doux
Zusätzlich zu diesen Varianten gibt es den sogenannten Vin naturellement doux, den natursüßen Wein. Bei dieser Variante werden die Trauben mit so viel Zucker gelesen, dass die Hefen es nicht schaffen, all den Zucker zu verarbeiten, und von selbst die Umwandlung in Alkohol aufgeben. Zu solchen Dessertweinen gehören der österreichische Ausbruch und der Strohwein – auch Vin de paille genannt –, ferner deutsche Beerenauslesen, Trockenbeerenauslesen oder Eisweine, die erst dann gelesen werden, wenn mehrere Nächte in Folge die Temperatur in den Weingärten unter 0 °C und zumindest fünf Stunden bei weniger als -7 °C lag.
Ab wann gilt ein Wein als süß?
Das Wort süß, das im Französischen doux heißt, im Italienischen dolce, im Spanischen dulce und im Englischen sweet, taucht auf den Etiketten nur selten auf. Vor allem in deutschsprachigen Ländern nutzt man stattdessen Prädikate wie Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese und Trockenbeerenauslese (= TBA). Kabinettweine, Spätlesen und Auslesen können zwar auch trocken ausgebaut werden, doch dann wird das auf dem Etikett vermerkt.
Weine, die als süß bezeichnet werden, müssen als Stillweine mindestens 45 g/l Restzucker haben und Schaumweine 50 g/l. Stillweine, die zwischen 25 und 45 Gramm besitzen, werden als mild oder lieblich bezeichnet, Weine die zwischen 15 und 25 Gramm besitzen als feinherb und Weine zwischen 9 und 18 Gramm als halbtrocken, wenn die Säure nicht über 10 Gramm liegt. Schaumweine, die zwischen 32 und 50 g/l aufweisen, werden als demi-sec, medium dry oder halbtrocken bezeichnet.
Mit welcher Trinktemperatur werden Süßweine genossen?
Süßweine, und zwar sowohl Weißweine wie Rotweine, sollten leicht gekühlt, aber nicht kühlschrankkalt genossen werden. Die Süße sollte mit der Säure im Idealfall eine Balance bilden. Kommt zu viel Wärme hinzu, verändert sich die Balance, und die Süße tritt in den Vordergrund. Sind die Weine zu kalt, schmeckt man ihre komplexe Aromatik nur teilweise. Im Idealfall sollten diese Weine kellerkalt, also bei 10 bis 12 °C serviert werden.
Was sind die gängigen Arten der Süßweine?
Süßweine waren die ersten Weine, die erzeugt wurden, und sie sind über Jahrhunderte hinweg die typischen Weine gewesen. Dass wir Wein trocken trinken, ist eigentlich eine sehr moderne Erscheinung und hat viel damit zu tun, dass wir Gärprozesse heute viel besser im Griff haben und mit Zuchthefen Weine immer zu Ende gären lassen können. So waren die berühmtesten Weine zur Zeit der Griechen und Römer immer Süßweine. Schaut man in die Berichte von Königshöfen aus der Renaissance, dem Barock oder auch aus jüngerer Zeit, tauchen ebenfalls vor allem Süßweine auf.
Edelsüße Weine
Die berühmtesten edelsüßen Weine stammten (und stammen) aus Tokaj in Ungarn, aus Sauternes bei Bordeaux, aus Quartes de Chaume und Bonnezeaux an der Loire, von der Mosel, aus dem Elsass und aus Constantia in Südafrika, wo übrigens bereits seit dem 17. Jahrhundert Süßwein erzeugt wird. Diese Weine basieren alle auf Rebsorten, die in nebeligen Gebieten den Edelschimmel Botrytis aufnehmen, bei dem dann die Traubenhäute platzen und das Wasser in den Trauben so stark verdunstet, dass die Beeren hocharomatisch und voller Zucker fast eintrocknen. Zu den Rebsorten gehören Riesling, Chenin Blanc, Sémillon und Sauvignon Blanc oder Furmint.
Wein aus rosinierten Trauben
Neben den Süßweinen, die auf Botrytis basieren, gibt es solche, bei denen die Trauben auf Strohmatten getrocknet werden, bevor man sie vergärt. Die nennt man Strohwein, Vin de Paille, oder bei einer besonderen Sherry-Variante, die nach dem Namen der Rebsorte benannt ist, Pedro Ximénez. Zu diesen Weinen aus rosinierten Trauben gehören auch der Recioto und der Passito. Beide Varianten gibt es als Weißwein und als Rotwein.
Aufgespritete Weine
Vor allem die Engländer bevorzugen eine weitere Variante des Süßweins. Es ist der aufgespritete Wein, bei dem die Gärung des Traubenmosts dadurch gestoppt wird, dass hochprozentiger Alkohol zugefügt wird. Dabei sterben die Hefezellen ab, die Restsüße im Wein bleibt erhalten, und der Alkoholgehalt erhöht sich entsprechend. Dies hatte einen für die damalige Seefahrernation besonders positiven Begleiteffekt: Die Weine waren viel stabiler, und man konnte sie auf den ausgedehnten Schiffsreisen durchgehend genießen. Erfunden wurde dieses Aufspriten dem Vernehmen nach von dem Arzt und Gelehrten Arnaldus de Villanova im Roussillon. Dort hat sich die Tradition der aufgespriteten Weine auch erhalten, die man als Vin Doux Naturel bezeichnet. Dazu gehören Weine aus weißen wie aus roten Trauben der Region rund um die Ortschaften Banyuls, Maury, Rivesaltes und Frontignan.
Zwei Stile – Ruby und Tawny
Ähnliche Weine gibt es auch in Portugal aus der Region am Douro, wo weiße und vor allem rote Portweine entstehen, dann im spanischen Malaga und in Jerez, auf der portugiesischen Insel Madeira und der griechischen Insel Samos, ferner in Marsala auf Sizilien und als Vino Santo, der aus mehreren italienischen Regionen stammen kann. Gerade beim Port, aber auch bei den Weinen aus dem Roussillon unterscheidet man zwischen solchen, die reduktiv und solchen, die oxidativ ausgebaut wurden. Reduktiv (ruby) heißt: Die Weine werden recht kurz in spundvollen Fässern ohne Sauerstoffkontakt ausgebaut und recht schnell gefüllt. Sie können Jahrzehnte auf der Flasche reifen. Oxidative Weine (tawny) reifen oft Jahrzehnte in Fässern, die nicht aufgefüllt werden.
Süße Schaumweine
Bei Schaumweinen gibt es ebenfalls zwei grobe Richtungen. So gibt es Schaumweine, die nur einmal gären. Diese gären im Fass an, und der Wein wird mit der Hefe gärend in Flaschen gefüllt, wo er zu Ende gärt. Diese Weine, die nach der Méthode rurale oder der Méthode ancestrale erzeugt werden und Pétillant Naturel oder kurz Pét Nat genannt werden, besitzen oft eine leichte Restsüße, sind aber nicht wirklich lieblich oder süß. Wirklich süß ist der Moscato d’Asti oder mancher Lambrusco, bei dem die Gärung durch Kälte und Filtration gestoppt wird, bevor der Wein gefüllt wird. Der heute meist trockene Champagner besitzt ebenfalls eine süße Tradition. Zu Beginn seiner Entstehung war er sehr süß und ist dann im Laufe der letzten zwei Jahrhunderte immer trockener geworden. Der Champagne Doux ist heute eine Seltenheit, aber ein großes Vergnügen zum Dessert. Er besitzt zwischen 50 und 120 Gramm Dosage, verfügt aber dann auch über eine so knackige Säure, dass sich am Gaumen ein ganz besonderes Equilibre, eine besondere Balance einstellt.
Wo entstehen die beliebtesten und besten Süßweine?
So großartig Süßwein auch sein mag – er ist ein bisschen aus der Mode gekommen. Süßwein besitzt eine gewisse Schwere, manchmal viel Alkohol, und er verträgt sich nicht mit Fitnessprogrammen. Man sollte sich diese Weine immer mal wieder gönnen; denn ihre Komplexität ist einfach fantastisch. Die bedeutendsten Süßweine dieser Welt stammen heute meist aus Tokaj, aus Sauternes, von der Mosel, aus dem Rheingau sowie aus Rust und vom Neusiedlersee aus dem österreichischen Burgenland. Von dort stammen Weine, deren beste Exemplare Jahrhunderte reifen können. Zwei der zehn ältesten Weine der Welt sind Sauternes von dem Château d’Yquem aus dem 18. und 19. Jahrhundert. In Deutschland gehören Auslesen und Beerenauslesen zu den beliebtesten Süßweinen. In Belgien, den Niederlanden und dem UK sind Port und Sherry sowie Sauternes deutlich populärer. Weltweit gesehen, liegt Portwein vor dem kalifornischen White Zinfandel, dem Moscato und süßen Rieslingen. Es folgen Sauternes, Eisweine vor allem aus Kanada, Weine aus Tokaji Aszu und Recioto della Valpolicella.